Das armenische Matagh.

Die Bedeutung

Das armenische Wort Madagh ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Zusammensetzung von zwei alt armenischen Wörtern: „Mado agh“. Neu-Armenisch heißt es: „Madutze agh“, übersetzt ins Deutsche bedeutet es: „Bringe Salz dar“. Demnach bedeutet das armenische Wort Madaghorhnutyun „Segnung des dargebrachten Salzes“.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Wort Madagh aus dem alt-armenischen Begriff „Mado aghkadatz“ (Neu-Armenisch: Madutze bzw. Dur aghkadnerun) herkommt, welches ins Deutsche übersetzt bedeutet: „Gebe oder überreiche den Bedürftigen“.

Madag ist eine der schönsten spirituellen Traditionen der Armenischen Kirche, ein praktisches Zeichen der christlichen Liebe. Das armenische Madagh ist ein menschlich tiefgründiger und christlicher Brauch des Dankes an Gott für die erwiesenen Gnaden, Bitte um Seelenfrieden für die Verstorbenen, Bitte um Vergebung der Sünden sowie die Darstellung einer Form der Dankbarkeit in glücklichen oder schwierigen Zeiten im Leben. Das Ziel des Madaghs ist die Wohltätigkeit gegenüber den Armen, dem Nächsten oder im allgemeinen, ein Ausdruck der Fürsorge und Aufmerksamkeit gegenüber Menschen.

Es ist nicht möglich und dazu noch ein großer Fehler, das armenische Madagh mit den Opferweihen in den unterschiedlichen Religionen bzw. mit der alttestamentlichen Opfergabe gleichzusetzen. Das Blut des im Gesetz vom Mose und entsprechend dieses Gesetzes dargebrachten Tieres vorsymbolisierte das am Kreuz vergossene Blut Christi, wodurch nur der Mensch von der Knechtschaft der Sünde befreit wurde. „So wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen “. (Heb. 9, 28„Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt“. (1. Joh. 2, 2). Folglich waren die alttestamentlichen Opfer nur vor der Opferung Christi, dem Lamm Gottes, am Kreuz akzeptabel. Selbstverständlich sollten alle durch das Gesetz Mose vollzogenen Opfergaben nach der Ankunft Christi aufhören. Solche Opfergaben sind nicht nur abzulehnen, sondern auch schädlich, denn wer solche Opfer darbringt, ist nicht durch das Blut Christi errettet worden und bleibt noch in Knechtschaft der Sünde und dient der Sünde.

Das armenische Madagh ist eine praktische Barmherzigkeit, welche für die Austeilung an die Armen und Bedürftigen vorgesehen ist. Als Ergebnis dieser Barmherzigkeit gibt es uns Hoffnung auf die Sündenbefreiung und Errettung. Mehr als eindeutig sind die Worte des Herrn: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“. (Matth. 9, 13) Jesus zählt den Barmherzigen zu den Reihen der Seligen: „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“. (Matth. 5, 7)

Schon in frühchristlichen Zeiten führten die armenischen Christen diesen Brauch weiter. Als der Hl. Gregor der Erleuchter den König Drtad und das ganze Volk für das Christentum gewonnen hatte, wurde bei der Kirche des Hl. Johannes des Täufers in der Stadt Taron in West Armenien ein Dankopfer dargebracht. Seitdem gibt es Madaghorhnutyun an großen Festtagen, an Kirchweihfesten.

Die Form der Madaghsegnung

Gemäß der Zeremonie vom Madagh segnet der Geistliche durch Lesung von Psalmen und Gebeten das Salz, welches danach dem für Madagh bestimmten Tier gegeben wird, damit es vom Gottesfluch gereinigt wird (siehe Gen. 3) und wieder den ersten Segen erhält (siehe Gen. 1, 22). Im Gebet der Segnung des Salzes lesen wir: „Segne, oh Herr, durch deine Barmherzigkeit dieses Salz und reinige es, damit alle Speisen, in denen es gemischt wird, für dich angenehm und annehmbar werden und uns reinigen und seelische und leibliche Gesundheit geben“ (Kausalenbuch „Maschtotz“). So segnet der Geistliche nicht das Tier, sondern das Salz, welches dem zum Madagh bestimmten Tier überreicht wird, damit es rituell gereinigt wird.

Das Salz ist Symbol für Reinheit und Makellosigkeit, wie Christus seinen Jüngern sagt: „Ihr seid das Salz der Erde“ (Mat. 5, 13), „Habt Salz in Euch“. (Mark. 9, 50) Und die Apostel haben durch die Verbreitung des Wortes Gottes, also des Heiligen Evangeliums, die Erde gesalzt.

Aus Unkenntnis machen einige mit dem Blut des zum Madagh bestimmten Tieres Kreuze auf ihre Stirnen, was sowohl in Vergangenheit als auch selbstverständlich heute von der Armenischen Kirche abgelehnt wurde und wird. Wir sind durch das Blut Christi errettete Christen und als im Becken der Armenischen Kirche getauften und gesalbten christlichen Armenier bekamen wir das Siegel mit dem Hl. Myronöl. Also brauchen wir kein anderes Siegel bzw. Zeichen auf unseren Stirnen. Es ist auch strengst verboten und verwerflich, vom Blut des zum Madagh bestimmten Tieres zu kochen und zu trinken.

Madaghfeste in den Gemeinden

Madagh können einzelne Personen und Familien versprechen und darbringen, aber auch Gemeinden. In jedem Fall ist es notwendig, dass das Madagh vom gerechten Verdienst und aus der Tiefe des Herzens dargebracht wird, da nur solche Darbringung für Gott angenehm ist. Gewöhnlich sollen nur männliche Tiere als Madagh dargebracht werden und zwar Rind, Schaf, Hahn oder Taube. Wenn es ein Rind ist, soll das gekochte Fleisch an 40 Familien ausgeteilt werden, wenn es ein Schaf ist – an 7 Familien, wenn es ein Hahn ist – an 3 Familien. Eine Taube soll frei gelassen und nicht geopfert werden. Madagh darf nicht zum Anlass für ein Gelage gemacht werden.

Die gemeinschaftlichen Madaghorhnutyuns werden von den Kirchengemeinden organisiert. In den Orten, in denen wir eine armenische Kirche haben, findet das Madaghfest am Namenstag dieser Kirchen statt. Wenn z. B. die Kirche der Hl. Jungfrau Maria gewidmet ist, findet das Madaghfest an einem Tag statt, an dem unsere Kirche der Gottesmutter gedenkt oder wenn die Kirche den Hl. Sahag und Mesrop gewidmet ist, findet das Madaghfest am Gedenktag der Hl. Tarkmantschatz statt.

Am Tag von Madaghorhnutyun kommen wir erst in der Kirche zusammen. Es findet nach der Hl. Eucharistiefeier eine spezielle Seelenmesse zum Gedenken aller unserer Entschlafenen. Während der Seelenmesse gedenken wir mit Dankbarkeit auch aller derer – Geistlichen und Laien -, die in den Vergangenheit in den betroffenen Gemeinden ihre Dienste geleistet haben. Wir betten für die Seelen derer und bitten Gott: „Oh Herr, richte sie (die Entschlafenen) nicht mit deiner Gerechtigkeit, sondern errette sie mit deiner Barmherzigkeit“.

Nach der Hl. Eucharistiefeier versammelt sich die Gemeinde in einem Raum zu einem gemeinsamen Agapemahl, während dessen allen anwesenden das mit dem gesegneten Salz gekochte Fleisch ausgeteilt wird.

Überall in der Diaspora, haben wir, insbesondere in der Gegenwart, die gottgefällige Verpflichtung, unsere Kirchen, Schulen und andere Gemeindeeinrichtungen instand zu halten und zu unterstützen. Ohne unsere Waisenhäuser und Altersheime, armen und bedürftigen Mitmenschen zu vergessen, dürfen wir nicht vergessen, dass auch unsere kirchlichen und kulturellen Einrichtungen Hilfe brauchen und auf unsere moralische und finanzielle Unterstützung hingewiesen sind. Die Finanznöte unserer Kirchen, Schulen und Gemeindeeinrichtungen werden oft mit den beim gemeinsamen Agapemahl gesammelten Spenden gedeckt.

Folglich sind unsere Madaghfeste auch eine Einladung für uns, Teilnehmer des gemeinsamen Agapemahls zu sein und unsere Verbundenheit zueinander zu zeigen. Nach der Speisung vom Madaghfleisch sind alle eingeladen, ihre finanzielle Unterstützung zur Standhaftigkeit und Fortdauer unserer Gemeindeeinrichtungen zu bringen. Die Gemeindeleitungen versuchen, mit einem Teil der gesammelten Spenden eine gemeinnützige wohltätige Einrichtung (z. B. Waisenhaus) zu unterstützen.

Text: Serovpé Isakhanyan